
Die drei größten Engpässe in technischen Entwicklungsprozessen – und wie man sie messbar macht
In technischen Unternehmen wird viel über Auslastung gesprochen, aber erstaunlich wenig über Engpässe. Dabei entscheidet nicht die Gesamtleistung eines Teams über die Geschwindigkeit eines Projekts, sondern der langsamste Schritt im Prozess. Genau dort entstehen Verzögerungen, die sich später in Einkauf, Produktion und Montage vervielfachen. Die meisten Organisationen erkennen diese Engpässe jedoch nicht – oder erst dann, wenn Termine bereits verloren sind.
Der erste große Engpass entsteht im Engineering selbst. Konstrukteure arbeiten oft parallel an mehreren Projekten, bekommen jedoch unscharfe Anforderungen, unvollständige Vorarbeiten oder ständig wechselnde Prioritäten. Dadurch verlieren sie Zeit durch Kontextwechsel, Rückfragen und iteratives Nacharbeiten. Hinzu kommt: Viele Unternehmen messen den Output eines Konstrukteurs ausschließlich anhand der Anzahl von Zeichnungen oder Modellen – nicht anhand des tatsächlichen Reifegrades ihrer Arbeit. Ein 80-%-Modell, das formal „fertiggestellt“ ist, aber wesentliche Risiken enthält, erzeugt später unvermeidliche Schleifen und blockiert mehrere Abteilungen gleichzeitig. Der Engpass liegt also nicht in der Kapazität, sondern in der Qualität und Klarheit des Prozesses.
Der zweite große Engpass entsteht an der Schnittstelle zwischen Engineering und Einkauf. Während Engineering noch am letzten Detail arbeitet, verlangt der Einkauf verbindliche Liefertermine. Um Planungssicherheit zu erzeugen, werden Bestellungen oft zu früh ausgelöst – auf Basis unvollständiger oder instabiler Daten. Lieferanten erhalten Zeichnungen, die kurz darauf geändert werden, oder Stücklisten, die nicht final abgestimmt sind. Jede dieser Änderungen führt zu Überarbeitungskosten, Wartezeiten und Terminverlusten. Dieser Engpass ist besonders fatal, weil er die gesamte Lieferkette destabilisiert und einen vermeidbaren administrativen Aufwand erzeugt, der später kaum noch einzufangen ist.
Der dritte große Engpass entsteht vor der Produktion: in der technischen Freigabe. Viele Unternehmen besitzen keinen klar definierten technischen Reifegrad, ab dem eine Zeichnung oder Baugruppe tatsächlich freigegeben werden darf. Stattdessen wird freigegeben, „damit es weitergeht“. Die Produktion erhält Modelle, in denen kritische Maße nicht ausreichend abgesichert sind, Toleranzen fehlen oder Montagebedingungen unvollständig betrachtet wurden. Das führt zu Rückfragen, Korrekturen, Nacharbeiten und manchmal zu kompletten Neuanläufen. Diese Verzögerungen werden häufig der Produktion angelastet, obwohl ihre Ursache viel früher liegt – in der fehlenden Reife der Konstruktion.
Um diese Engpässe messbar zu machen, braucht es drei einfache, aber wirkungsvolle Instrumente. Erstens: klare Definitionen technischer Reifegrade entlang des PEP. Nicht bloß „fertig“, sondern eindeutig dokumentierte Kriterien, die die Stabilität eines Bauteils oder einer Baugruppe messbar machen. Zweitens: Sichtbarkeit der Schnittstellenprozesse. Jede Übergabe zwischen Engineering, Einkauf und Produktion muss messbar und transparent sein – inklusive Änderungsverläufen und Verantwortlichkeiten. Drittens: Engpassanalysen auf Basis realer Durchlaufzeiten, nicht geschätzter Kapazitäten. Nur wenn man misst, wie lange ein Schritt wirklich dauert, erkennt man, wo der Prozess tatsächlich bricht.
Die meisten technischen Projekte scheitern nicht an der mangelnden Kompetenz der Mitarbeiter, sondern an unsichtbaren Engpässen, die nie klar benannt oder quantifiziert wurden. Wer sie transparent macht, schafft die Grundlage für stabile Termine, reibungslose Abläufe und eine Organisation, die nicht von der lautesten Abteilung gesteuert wird, sondern von einem klaren, technischen Prozessverständnis.
